Foo Fighters, Sonic Highways, ein Album, das wir vor langer Zeit schon einmal besprochen hatten. Für Stefan hat dieses Album jedoch einen besonderen Stellenwert, vielleicht den einer Bloody Mary nach einer durchzechten Nacht? Eine Rezension im Stil eines Charles Bukowskis oder Tom Waits: dreckig herausgerotzt, aber so geil, dass ich mir die CD noch einmal in Ruhe anhören musste. Willkommen Stefan und euch viel Spaß beim Lesen! Viktor

Foo Fighters –      

Sonic Highways, Drinks und Kippen

Foo Fighters - Sonic Highways - CoverIch stand irgendwann zwischen 10 und 11 auf, torkelte noch halb verwirrt vom Schlaf und 14 Bier in die Küche und starrte in die gähnende Leere meines Kühlschranks. Herrje. Das Kaffeepulver war auch alle. Ich drehte mich wieder zum Kühlschrank und starrte nochmal rein. Keine Eier, keine Butter, kein Nichts. Nur eine viertelt leere Flasche Wodka, irgendwelche Soßen, uralter Toast und Tomatensaft. Ich schnappte mir den Wodka, den Tomatensaft und das Tabasko. Drei Finger breit Wodka. Viel Tabasko, den Rest mit Tomatensaft auffüllen. Etwas Pfeffer und Salz, dann mit einem Gabelstiel umrühren. Scheiß auf die Worcestersauce. Ich trank das halbe Glas auf ex. Mein Schädel begann von innen zu jucken. Und ich beschloss, das nie wieder zu tun; Ich trank nochmal einen großen Schluck. Blinzelte asynchron; Wenn man eines über Bloody Mary nicht sagen kann, dachte ich, dann dass sie langweilig ist. Wenn man morgens, oder zumindest kurz nach dem Aufstehen etwas derart zerstörerisches in sich rein schüttet, kommt einem der Rest des Tages wie ein Urlaub auf Korsika vor. Irrelevant und sonnig und leicht. Ideal für Familienfeiern, Vorstellungsgespräche, oder wenn man auf dem Weg zu seiner eigenen Hinrichtung ist.

Genau das brauchte ich jetzt… Foo FightersSonic Highways. Ich hielt die CD in den Händen. Auf dem Cover ist eine futuristische Stadt zu sehen, in die verschiedene, obligate Gebäude der USA integriert wurden. Darunter die Space Needle, Chicagos Willis Tower und irgendwo im Hintergrund die Hollywood Hills. Aus dem Zentrum des Artworks sticht ein Wolkenkratzer in Form eines Unendlichkeitszeichens empor, den man allerdings vergeblich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sucht. Designed wurde das Ganze von Stephan Martiniere, der unter anderem an der Gestaltung des Guardians oft the Galaxy-Universums oder Hunger Games mitwirkte und so seine Erfahrungen mit konzeptionellen Stadtbildern hat.

Nunja. Ein paar zusammengewürfelte Gebäude fragwürdiger Architektur scharen sich um was kreischend Metaphysisches… Das wirkt zunächst wenig spektakulär. Ganz nett arrangiert zwar, dafür relativ nichtssagend und arg plakativ. Aber das haben Albumcover ja meist an sich. Wenn man allerdings bedenkt, dass Dave Grohl für den Songwriting-Prozess durch acht verschiedene Städte der USA reiste, um dort Interviews zu führen, den einzigartigen Flair von Musikern einzufangen, die insbesondere mit diesen Städten verwurzelt sind und die Songs dann auch noch dort aufzunehmen, ergibt das durchaus Sinn. Acht Städte, acht Titel.

Dave Grohl sagte dazu in einem Interview mit Xfm: „Well, I’ll tell you, we have been in our studio writing and in the past few weeks we’ve written an album and we are going to make this album in a way that no-one’s ever done before and we’re pretty excited about it… It’s a little ways off – it’s not ready to happen right now – but I think next year is going to be a really big year for the Foo Fighters, without question.

Ich hatte diese Rezension schon seit einer Weile vor mir hergeschoben. Nicht weil ich die Foo Fighters nicht leiden kann, sondern weil ich nicht wusste, wie ich eine kritische Rezension über das Album einer Band schreiben soll, deren Musik ich seit Jahren ausnahmslos feierte. Hmm, dachte ich, dann less es doch einfach. Kritisch, objektiv, bodenständig, langweilig. Jeder ist ein verdammter Kritiker… Warum etwas werden wollen, das jeder sein kann? Scheiße, das ist Musik, hier geht es um Musik, nicht mehr und nicht weniger und was ist Musik anderes, als eine Geschmackssache? Ich kippte den Rest meines Drinks runter, schnappte mir eine Kippe und warf die Anlage an.

Chicago: Something from Nothing.

Der Opener – und gleichzeitig die Singleauskopplung – Something from Nothing beginnt in klassischer Foo Fighters Manier. Kein Gesang, keine Drums, am Anfang war die Gitarre. Diesmal allerdings ruhiger und weniger kraftvoll, als beispielsweise noch in Wasting Light. Das ändert sich jedoch schnell. Der Song baut auf und urplötzlich drischt Bassist Nate Mendel drauf los. Ich hätte fast meine Zigarette verschluckt. Ich hustete und grinste. „Here I go…“ Und ab geht die Party! Rock´N´Roll mit einer Note, wie nur die Foo Fighters sie hinbekommen. Der Song klingt zwischendurch fast wie ein Arrangement aus Flea Balzary und DIOs Holy Diver, ohne dabei den Anschein eines Plagiats zu erwecken. Funkig, aber mit steinhartem Kern, wird gegen Ende nochmal eine Schippe draufgelegt und ein Brett rausgehauen, das einem brachial die Kieferknochen durchschüttelt. Wie Dave Grohl schon sagte: „…we are going to make this album in a way that no-one’s ever done before and we’re pretty excited about it…” Das ist ihnen mit diesem Song definitiv gelungen. Zwar fehlt der klassische Ohrwurmcharakter zum mitgrölen, wie beispielsweise in My Hero, Learning to Fly, oder The Pretender; Something From Nothing geht trotzdem ins Ohr.

Ich lehnte mich also zurück und war auf Washington DC. gespannt. The Feast and the Famine ist ebenfalls Teil der Singleauskopplung. Ich hatte keinen der Songs vorher gehört, aber dieser Track holte mich sofort ab. Schneller, böser und krächziger als Something from Nothing. Das wars dann mit dem Zurücklehnen. Man hört die Anleihen des Hardcore-Punk nicht nur, sie reißen einen vom Hocker. Musikalisch, als auch textlich, ganz im Sinne der ikonischen Washingtoner Hardcore-Punk-Szene gehalten, mit Gang-Vocals von Pete Stahl (Scream) ergänzt, geben sich die Foo Fighters keine Blöße und zeigen wie hart und gleichzeitig eingängig Musik sein kann. Und das ganz ohne Pathos.

Der dritte und letzte Track der offiziellen Single ist eine Hommage an die Folk- und Country-Szene Nashvilles. Dem ein oder anderen Foo Fighters-Fan läuft bei diesem Gedanken wahrscheinlich die Galle in die Luftröhre, aber dazu besteht keinerlei Grund. Congregations kommt ganz ohne Akustik-Gitarren oder Banjos aus. Es geht ausschließlich darum, eine Stimmung einzufangen, Geschichte zu verarbeiten. Nate Mendel drückte es im Interview mit NME so aus: „The song ‚Congregation‘ is a play on how a lot of the folks in the Nashville country music scene came together in church, in a sort of gospel environment, to learn their craft.

All of your heroes, where are they now?
I’m lost, deliver me,
I crossed the river finally.
God as my witness…

…da fängt der durch Austin, Texas und Interviews mit u.A. Billy Gibbons (ZZ-Top) inspirierte Song eigentlich erst an. Das Alternate-Geplänkel der ersten 2:45 Minuten kommt rüber, wie ein aufgebrezelter Lückenfüller. What Did I Do? ist nett anzuhören, aber einfach nichts Besonderes. Umso mehr schlägt deshalb der zweite Teil, God As My Whitness, ein. Unverwechselbar gräbt sich der erste, echte Ohrwurm des Albums in den Gehörgang und blieb mir dort noch tagelang erhalten. Ob ich wollte oder nicht. Das kann lustig sein. Und auf Beerdigungen wird man damit zumindest ein Hingucker. Aber raus bekommt man ihn eben auch nicht mehr so leicht… Und möglicherweise gerade weil der Kontrast der beiden Songhälften so krass ausfällt, hat man sie zusammengepackt. God As My Whitness entfaltet seinen hymnischen Charakter auch deshalb so gediegen, weil er sich so stark von What Did I Do abhebt. Ein sehr ungleiches Paar, das trotzdem funktioniert. Nicht, weil es muss, sondern weil es kann.

Outside entstand in Zusammenarbeit mit einigen Musikern in und um Los Angeles. Darunter auch Eagles-Gitarrist Joe Walsh, der ein psychedelisch anmutendes Solo im Pink-Floyd-Stil der späten 70er/frühen 80er beisteuerte. Foo Fighters-Drummer Taylor Hawkins bezeichnete es im Gespräch mit Q Magazine als „…the champagne moment on the Sonic Highways album“. Hmm. Naja. Outside schafft es, eine nebulös poppig angehauchte Atmosphäre aufzubauen, die schwer greifbar ist. Man hört zwar etwas und man spürt auch etwas, aber so richtig hängen bleibt eben nichts.

New Orleans: Jazz! Klar, was sonst. Das haben sich auch die Foo Fighters gedacht. In The Clear entstand, während die Band zusammen mit der Preservation Hall Jazz Band einige Sessions spielte und wurde kurzerhand direkt vor Ort aufgenommen. Aber Moment, Jazz? Erst Country/Folk, jetzt das?! Ob das gut geht… Und schon wieder tränen die Augen des immer treuen, immer konservativen Fans, der es am liebsten hätte, wenn jeder Song wie The Pretender klingt. Jazz, ernsthaft? Sind die denn von allen guten Geistern verlassen? …NEIN! Den unerbittlichen Nörglern und ewig Gestrigen sei gesagt: Herrgott, es sind doch immer noch die Foo Fighters! Und die zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie immer wieder mal etwas Neues probieren. Das kann selbstverständlich schief gehen. Tut es in diesem Fall aber nicht. Ist bei den Foo Fighters auch noch nie passiert. Wenn ihr so viel Angst vor allem Neuen habt, dann sperrt euch doch im Keller ein, schiebt den Schlüssel unter der Tür durch, stopft euch ein Album von Manowar in die Pfeife und raucht es!

In The Clear rockt wie Hölle. Eine Melodie, die sofort ins Ohr geht, ein Refrain, den man nach dem ersten Mal hören mitsingen muss, ein feiner Schuss Melancholie… Dave Grohl und Co. zeigen, wie es geht. Und nicht anders. „God damn I swear“!

Für den vorletzten Song des Albums kehren die Foo Fighters nach Seattle zurück. Genauer gesagt in die Robert Lang Studios. Dorthin, wo alles begann. Wir schreiben das Jahr 1994. Die letzten Sowjets verlassen Deutschland, bescheidene 41 Kriege überziehen die Welt, Honecker gibt den Löffel ab, Shoemaker Levy knallt auf Jupiter, Kurt Cobain tritt dem illustren Club der 27er bei und, was damals Wenige mitbekamen, noch im selben Jahr gründen sich die Foo Fighters. Als Drummer nahm Dave Grohl im Januar 1994 den letzten Nirvana-Song You Know You’re Right in den Robert Lang Studios auf. Noch im gleichen Jahr spielten die frisch gegründeten Foo Fighters im selben Studio ihre erste Session. In Seattle, kurz nach dem denkbar hässlichsten Ende, das die zu dieser Zeit größte Band der Welt überhaupt ereilen konnte. Der Rest ist Geschichte und die wird immer noch geschrieben.

Dave Grohl, der „…einen letzten Nirvana-Gruß gen Himmel schickt.“ Heißt es auf laut.de. Das mag ein Teil der Wahrheit sein. Ich halte es für eine stark vereinfachte Version der Geschichte. Obwohl Subterreanean einen textlich geradezu mit der Nase in die brennende Wunde reibt, macht man es sich zu leicht, eine gesamte Stadt sowie deren Szene nur auf den Schmerz von und um Nirvana zu reduzieren. Das bietet sich zwar an, ist aber auch billig und wohlfeil. Wir erinnern uns, Schmerz war schließlich fester, textlicher Bestandteil aller Grunge-Bands. Stattdessen hat der siebte Song auf Sonic Highways weitaus mehr Facetten zu bieten: Eine düster-nostalgische Hommage an die vergangenen Grunge-Zeiten, von denen man sich mittlerweile entfernt hat, schickt den Zuhörer auf einen surrealen Trip durch die Geschichte der Stadt, des Studios mit den vielen Erinnerungen und der Foo Fighters. Dort, wo alles aufhörte und alles begann. Nirvana ist tot, es leben die Foo Fighters!

Paul Stanley (Kizz), Rick Rubin, LL Cool J, und Thursten Moore waren nur einige unter den Größen, die ihren Teil zum letzten Song des Albums beitrugen. Ganz nebenbei interviewte Dave Grohl nämlich keinen geringeren als den amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika persönlich. Barack Obama hatte offensichtlich nichts Besseres zu tun… Und das ist auch gut so. Denn wenn die Welt schon den Bach runtergeht, weil ein Haufen verdammter, züngelnder Reptilien sich selbst ihre Kaltblütigkeit beweisen muss, dann sollte es nicht zuletzt auch in der Musik krachen. I Am The River steht in einer Kategorie für sich und bringt dieses vor Allem durch seine Vielfältigkeit überzeugende Album mit einigen kleinen Schwächen zu einem fulminanten Höhepunkt, der einem gehörig den Kopf verdreht, wenn man sich darauf einlässt. Alleine deshalb soll auch Dave Grohl höchst selbst erklären worum es in dem Song geht: „This song is mostly about that, this river that runs underground through the city. I thought it was a beautiful idea that there’s something natural and prehistoric that runs underneath something as monolithic and futuristic as New York City. And maybe we’re all connected by something like that.

Ich sah auf die Uhr. 15:30. Ich war betrunken. Der Rauch stand im Raum und die Stille vibrierte. Ich vibrierte. Das Leben hatte mich für kurze Zeit vom Wickel gelassen. Das ist schön. Und das war es wert. Das soll Musik bewirken. Das kann nur Musik bewirken. Jedem, der dieses Gefühl nicht kennt, kann ich nur empfehlen, Sonic Highways zu kaufen, keine Bloody Mary zu trinken, sondern Bier, vielleicht sogar einen guten Wein, sich zurückzulehnen und – zumindest für die Chance dieses unsteten Moments – der Realität da draußen ein Schnippchen zu schlagen. Das ist zwar nicht alles, aber es ist viel. Und nur darauf kommt es an.

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